Albert Ehrenstein (1886-1950), »Räuber und Soldaten«, Roman frei nach dem Chinesischen (Friedenauer Presse, 2024)
Buchvorstellung sowie Gedanken zur Übersetzung als Aneignung
Die Räuber vom Liang Schan Moor, einer der vier großen Romane aus dem klassischen China, erzählt und verdichtet von einem der wichtigsten Vertreter des literarischen Expressionismus.
Enttäuscht über das Scheitern der Novemberrevolution wandte sich der pazifistisch-anarchistisch gesinnte Dichter Albert Ehrenstein zunächst hoffnungsvoll den chinesischen Lyrikern zu, in deren Stimmen für ihn nicht etwa »Pfirsichblütenduft«, sondern Auflehnung gegen Unterdrückung sowie Rebellion gegen die ausbeuterische Obrigkeit schwang. China war für ihn weniger eine Flucht aus »Barbaropa« als ein literarisches Exil.
Anfang der 1920er Jahre kursierten in einschlägigen deutschsprachigen Zeitschriften und Anthologien einzelne Kapitel aus einem der vier klassischen Romane Chinas, Die Räuber vom Liang Schan Moor. Für Ehrenstein waren dessen Helden und Heldinnen »Edelräuber, ein wahres Kohlhaasenrudel – das sich im Protest gegen bestechliche Beamte und verderbte Gewalthaber zur Feme, Selbsthilfe und herzhaften Volksjustiz zusammenschließt.«
Die bewusst vereinfachte und rohe Nach- und Umdichtung dieses großen Romans beschränkt sich auf einen Strang der ursprünglichen Erzählung, die Geschichte um den Tigertöter Wu Sung, einen ungeschliffenen, aber durch und durch ehrlichen Mann, der sich sein Faustrecht nimmt, um Gerechtigkeit zu schaffen, wo er Unrecht sieht.
Mit welchem Recht, werden wir uns fragen, nimmt Ehrenstein derart drastische Eingriffe an seinen literarischen Vorlagen vor?
Eva Schestag lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Sie übersetzt aus dem Klassischen und Modernen Chinesischen sowie aus dem Englischen. Unter anderem übertrug sie Werke von Ai Weiwei, Mark Arax, Cai Jun, Can Xue, Han Shan, Luo Guanzhong und Rao Pingru. Als Gastdozentin lehrte sie am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Goethe-Universität.
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