Auf seiner Lesereise durch ganz Europa kommt der preisgekrönte Autor YAN Lianke auch nach Bonn und stellt im Gespräch mit seinem deutschen Übersetzer Dr. Marc Hermann sein neustes Buch „Der Tag, an dem die Sonne starb“ vor. Darin geht es um den 14-jährigen LI Niannian. Er lebt in einem kleinen Dorf in den Bergen, wie es in China zahllose gibt, zusammen mit seinen Eltern. Niannian bezeichnet sich als Niemand, »ein Staubkorn auf einem Haufen Sesam, eine Nisse auf einem Kamel, einem Ochsen oder Schaf«. Alle nennen ihn den dummen Niannian, doch gerade er wird zum unbestechlichen Chronisten der unheimlichen Begebenheiten, die sein Dorf heimsuchen und sich im Laufe einer zunehmend bizarrer werdenden Nacht zutragen. Zunächst bemerkt er ein seltsames Ereignis: Statt sich bettfertig zu machen, tauchen immer mehr Nachbarn auf den Straßen und Feldern auf und gehen ihren Geschäften nach, als wäre die Sonne noch nicht untergegangen. Ratlos bemerkt er, dass sie traumwandeln und dabei alle ihre Wünsche ausleben, die sie während der wachen Stunden unterdrückt haben. Immer mehr Traumwandler tauchen auf, und es dauert nicht lange, bis die Gemeinde im Chaos versinkt. Als der Morgen anbricht, die Sonne aber ausbleibt und die Nacht nicht zu enden droht, erhält das über Jahre von seinem Vater gesammelte Leichenfett der Kremierten eine neue Bedeutung, und es liegt nun an ihm und Niannian, die Stadt mit einem Sonnenaufgang in den neuen Tag zu führen.
YAN Lianke wurde 1958 in Luoyang, Henan, China, als Sohn von Bauern geboren. Während seiner Zeit bei der Volksbefreiungsarmee war er als Propagandaschreiber tätig. In seinem Heimatland ist er einerseits erfolgreich und hochdekoriert, wird andererseits aber auch kontrovers diskutiert. Von der offiziellen Delegation bei der Frankfurter Buchmesse 2009 war er ausgeschlossen, aufgrund der oftmals grotesk-satirischen Färbung und subversiven Untertöne wurden einige seiner Romane indiziert. Aber wie er 2014 in einem Essay pragmatisch resümiert, sei es für einen ernst zu nehmenden Autor ungewöhnlich, überhaupt keine Zensurprobleme zu haben. YAN Liankes ambitionierte Prosa, die in viele Sprachen übersetzt und international begeistert aufgenommen wird, greift vornehmlich verdrängte Begebenheiten auf und verleiht ihnen existenzialistische, teils allegorische Dimensionen. Zu seinen Ehrungen zählen der Lu-Xun-Literaturpreis (1998/2001), der Lao-She-Literaturpreis (2005), der Franz-Kafka-Literaturpreis (2014) sowie der Dream of the Red Chamber Award (2016). Außerdem war er teils mehrfach für den Man Booker International, den Man Asia, den Independent Foreign Fiction Prize und den Premio Príncipe de Asturias nominiert. YAN Lianke lebt in Peking.
Dr. Marc Hermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Sinologie der Universität Bonn und gehört zu den aktivsten Übersetzern chinesischer Literatur in Deutschland. In den letzten Jahren hat er schwerpunktmäßig chinesische Science-Fiction übersetzt – von Altmeistern wie LIU Cixin und WANG Jinkang bis hin zu Nachwuchsstars wie CHEN Qiufan und HAO Jingfang. Er ist der deutsche Übersetzer von YAN Lianke.
CHIANG Yin (Klavier) war Meisterschülerin von Pierre-Laurent Aimard, Hans Leygraf und Peter Lang. Sie absolvierte ein Diplom- und Magisterstudium im Konzertfach Klavier am Mozarteum Salzburg und legte ihr Konzertexamen an der Musikhochschule Köln ab. Sie war Stipendiatin u.a. des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Österreich, der Kunststiftung NRW und des Kulturministeriums NRW. Ihren ersten Auftritt als Solistin mit Orchester hatte sie als Elfjährige. Später trat sie in Europa u.a. mit der Salzburger Kammerphilharmonie und dem Kammerorchester Leopoldinum auf. Außerdem wurde sie u.a. zum Festival “Mozartwoche” Salzburg, zur Lucerne Festival Academy, dem Klangspuren Festival, und Acanthes Festival eingeladen. Sie war die musikalische Leiterin der Produktionen “Die Edelweißpiraten” und “Weiße Rose” in der Spielzeit von 2007 bis 2009 an der Kammeroper Köln. 2012 hat sie “C-Camerata”, ein Ensemble für zeitgenössische Musik, in Taipeh gegründet.